Panzerjägerkompanie 210 - Uniformen der Bundeswehr

Von der normativen Kraft des Faktischen

-Uniformgeschichte der Bundeswehr-

Vor langer Zeit wechselten die preußischen Kürassiere innerhalb von wenig mehr als zwei Jahrzehnten dreimal die Uniform – neue Farben, neuer Schnitt, neue Accessoires. Die Bundeswehr übertraf aber sogar noch diese Wechsel. Wer heute die Bilder jener Männer der ersten Stunde betrachtet, mag sich das Lächeln nicht verkneifen.
Die ersten Entwürfe der neuen Bundeswehruniform kamen von dem späteren Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung. Die ersten Tuche stellte die Textilindustrie kostenlos her, wohl in der gerechtfertigten Erwartung, dafür später die entsprechenden Aufträge zu erhalten.
Es war alles anders als bei der Wehrmacht, die gerade zehn Jahre vorher untergegangen war. Das sollte wohl auch so sein. Zweireihige Uniformen, das gab es weder in der deutschen Militärgeschichte noch im Ausland. Dafür gab es ältere Herren, die meinten, ihnen stünden Zweireiher, die damals gerade en vogue waren, besser – andere plädierten für den Einreiher. Die hatten zwei Motive für den herkömmlichen Schnitt: Einmal habe es so etwas noch nie gegeben, zum anderen machten sie dick. Unausgesprochen blieb bei den entscheidenden Stellen, dass der Zweireiher ziviler aussah. -Schautafel Nr.1-
Uniformen der Bundeswehr
Es waren junge Beamte des Bundesgrenzschutz, die sie im Jahre 1955 vorführten, aufmerksam in aller Welt verfolgte Dressmen. Da konnte man bestaunen, was am 12. November 1955, dem 200. Geburtstag Scharnhorsts, die ersten 101 Soldaten der Streitkräfte trugen. Es sollte alles geheim bleiben, deshalb waren die Herren mit Nummern versehen worden, nach dem sie die maßgeschneiderten Röcke und Hosen empfangen sollten. Aber irgend jemand hatte die Ausweise umgekehrt nummeriert, so dass ein Chaos ausbrach, dem man nur beikam, indem man nach der früheren Methode „Anprobieren – passt!“ verfuhr.
Da standen sie nun, in langen Reihen, Theodor Blank, erster Verteidigungsminister, überreichte die Urkunden, begleitet von den Generalen Heusinger und Dr. Speidel. Zweireihige Röcke, altgoldene Dienstgradabzeichen, bei den Stabsoffizieren präsentierten sich die Eichenlaubteile als gestreckte Äste. Ein Jahr später wurden sie silbern und gebogen. Die Waffengattungen wurden durch blecherne Symbole auf den Kragenenden herausgehoben. Zum langen Rock gab es auch eine zweireihige Bluse mit verdeckter Knopfleiste, die sich beim Niedersetzen hochschob und andeutete was Männer bekanntlich nicht haben. Sie hatte schnell den Spitznamen „Königin-Luise-Bluse“ weg.

Die Mützen standen auch nicht mehr in der Tradition der Wehrmacht. Sie waren sehr groß und hatten lange Schirme. Alles war anders, als man es gewohnt war. Aber die normative Kraft des Faktischen setzte sich später doch durch.
Typisch für das Schuhwerk deutscher Soldaten war der „Knobelbecher“, ein kurzschäftiger Stiefel. Aber auch da regierte der Palmström als Uniformphilosoph: Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, wurde der Schnürschuh eingeführt. Aber wieder wirkte sich die normative Kraft des Faktischen, 1958 kam der Stiefel wieder, diesmal versehen mit einer an sich höchst überflüssigen Schnalle, die von den wenigsten Trägern des Stiefels je geöffnet wurde und die der Hauptmann aus der Pressestelle, Ermekeilstrasse beim Vorzeigen im Fernsehen schlicht „demokratische Schnalle“ nannte. Inzwischen wurde er wieder abgeschafft und durch allerlei interessantes Schuhwerk ersetzt. Und einen Vorteil haben die Stiefel doch: Bei Alarm kommt man schnell hinein!
Ein Jahr nach der Vorstellung der ersten Soldaten kamen die ersten Uniformänderungen. Die blechernen Kanonenrohre und Panzerchen machten den Spiegeln herkömmlicher Art Platz, bei denen allerdings die Grenadiere das traditionelle Weiß der Infanterie an die Militärmusik verloren und statt dessen Grün erhielten. Die Generale hatten die herkömmlichen Kragenstickereien bereits von Anfang an erhalten. Konrad Adenauer sagte angesichts der in unscheinbarem Grau gehaltenen Uniformen auch der Generale den denkwürdigen Satz: „Meine Herren, ich sehe da, dass Se den Jeneralen die roten Beine weggenommen haben – wissen Se, dat is schade, ich fand die schön!“

Auch die Luftwaffensoldaten trugen im Jahr 1955 dieselben Uniformen wie die Heeressoldaten – unscheinbares Grau mit zwei Ärmelstreifen. Auch hier wirkte die normative Kraft des Faktischen, das traditionelle Blau kam wieder, die Spiegel erschienen auf den Kragenenden, aber die Ärmelbänder blieben.
Ursprünglich hatte man wohl auch vor, der Marine das Blau zu nehmen, aber die wehrte sich vehement und behielt es. Es hätte wohl eine Revolution gegeben... Gewandelt hat sich nur auf den Ärmeln der Korvettenkapitäne die Reihenfolge von breiten und halbbreiten Streifen in Richtung auf internationale Gemeinsamkeit.
Die Kompaniefeldwebel trugen früher zwei silberne Tressen um den Unterarm, die Bundeswehr ersetzte sie durch eine gelbe Achsenschnur. Und die „Anschisskommode“, jenes dickes Buch, in das der Spieß alles Dienstliche eintrug und das er früher unter dem geöffneten zweiten Knopfloch von oben trug, existierte auch nicht mehr.

Irgendwann wurde das zuerst eingeführte Stoffkoppel durch das alte Lederkoppel ersetzt – normative Kraft des Faktischen! Nur „Gott mit uns“ steht nicht mehr darauf, sondern wurde durch „Einigkeit, recht, Freiheit“ ersetzt.
Zum Arbeitsanzug gehörte zunächst eine Nato-olivefarbene Schirmmütze, in der Art der Bergmütze geschnitten; weil sie leicht aus der Form ging , wurde sie „Kanalarbeitermütze“ genannt. Dann kam ein gleichfarbenes Schiffchen.
Der Stahlhelm wurde in den Anfangszeiten von der US-Army übernommen. Aber heute gibt es wieder einen neuen, Gefechthelm genannten, Helm der wieder an die Form der Wehrmacht erinnert.
Ende der siebziger Jahre kam dann das Barett. Auch wenn es schon mal in der deutschen Armee existierte, für die Panzerbesatzungen der Wehrmacht, wurde es vom Inspekteur des Heeres, in verschiedenen Farben für das ganze Heer eingeführt, geschmückt mit den Emblemen der Waffen- und Truppengattungen. Soldaten des Wachbataillons, Heer, Marine, Luftwaffe, treten übrigens alle mit Barett auf.
Zur Gesellschaftsuniform trug man früher die Schirmmütze, die ebenfalls eine Wandlung durchgemacht hatte. Sie schrumpfte von der Form des Jahres 1955 wieder zur normalen Größe von früher zurück. Als dann die Marineoffiziere ihre alte Mützenstickerei wieder tragen durften, wurde sie auch für die Heeresoffiziere eingeführt. „Haifischzähne“ für die Leutnante und Hauptleute, vom Major an aufwärts zeigte man silbernes Blattwerk, auch schlicht „Gemüse“ genannt. Diese Mütze gerät - Leider- derzeit wieder ins Abseits und soll wohl verschwinden – aber wer weiß, ob die normative Kraft des Faktischen sie nicht wieder herbringt.

Im strengen Sinne kein Uniformteil, wohl aber ein sichtbares Beiwerk zu Uniform war das Haarnetz. Es wurden Hunderttausende beschafft, ehe man von höchster Stelle her Wärmestau unter dem Netz und möglichen Parasitenbefall konstatierte und das Netz wieder abschaffte.

Seit dem gibt es den Pullover mit Dienstgradabzeichen, den Poncho, den Parka und vieles mehr. -Schautafel Nr.2-
Auch die neue Tarnuniform, 1955 gab es bereits einen ersten, gescheckten Tarnanzug, erinnert wieder sehr an die Tarnuniformen aus dem zweiten Weltkrieg. Auch hier setzt sich wieder die normative Kraft des Faktischen gegen Nato-Einheitsbrei durch. Zumal sich das Gesamtbild des deutschen Soldaten mehr denn je an ehemaligen Zeiten orientiert. Da macht es auch nichts, das aus Erbsentarnung Flecktarnung geworden ist. Man muss nur den richtigen – anderen – Namen finden...

„Der Soldat muss sich fühlen können“, sagte man früher. Etwas ist dran. Und egal was beschafft wurde und auch in Zukunft beschafft werden wird ist es tröstlich, dass die nun zum letzten Mal zitierte normative Kraft des Faktischen gestern und heute und morgen korrigierend einwirken wird.

Quelle: u.a. Reinhard Hauenschild, Oberst a.D., 1985